Europaparlament fordert eine UN-Parlamentarierversammlung und einen UN-Reformgipfel in 2020
In einer gestern verabschiedeten Resolution hat das Europäische Parlament die Regierungen der EU dazu aufgefordert, "die Einrichtung einer Parlamentarischen Versammlung der Vereinten Nationen" (UNPA) zu befürworten und einen UN-Reformgipfel in 2020 zu unterstützen, "in dessen Rahmen umfassende Reformmaßnahmen für eine Erneuerung und Stärkung der Vereinten Nationen erörtert werden".
Nach Ansicht des Europäischen Parlaments soll eine UNPA "innerhalb des Systems der Vereinten Nationen" eingerichtet werden, "um den demokratischen Charakter, die demokratische Rechenschaftspflicht und die Transparenz der globalen Struktur- und Ordnungspolitik zu erhöhen und eine bessere Beteiligung der Bürger an den Tätigkeiten der Vereinten Nationen zu ermöglichen und insbesondere zur erfolgreichen Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und der Ziele für nachhaltige Entwicklung beizutragen."
Das direkt gewählte Parlament der EU-Bürger forderte die im Rat der EU vertretenen 28 EU-Mitgliedstaaten dazu auf, sich bei der bevorstehenden 73. Sitzung der UN-Generalversammlung, die im September beginnen wird, für die Schaffung einer UNPA einzusetzen.
Die Forderung nach einer UNPA wurde auf Initiative des Europaabgeordneten Jo Leinen (S&D) in die Resolution aufgenommen. Anlässlich der Verabschiedung durch das Plenum kommentierte Leinen, dass die UNO "dringend mehr Offenheit und mehr demokratische Verankerung" benötige. Er fügte hinzu, dass das Europaparlament aus diesem Grund die Einrichtung einer UN-Parlamentarierversammlung fordere. "Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten sollten sich jetzt tatkräftig für die Verwirklichung dieser Innovation einsetzen", so Leinen.
Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments zu den diesjährigen Empfehlungen zur UN-Politik der EU, Eugen Freund (S&D), sagte, dass sich seit seiner ersten Begegnung mit der UN-Reform vor vierzig Jahren "leider nicht viel geändert" habe. Er fügte hinzu: "Die Generalversammlung hat jetzt mehr Mitglieder, aber sie ist immer noch ein Gremium von nicht gewählten Diplomaten. Daher ist die Idee, sie letztendlich durch gewählte Parlamentarier zu ergänzen, sehr ansprechend. Letztere wären sicherlich näher an der Bevölkerung und müssten sich regelmäßig vor ihrem Wahlkreis verantworten. Ob das auch die Entscheidungsprozesse straffen würde, bleibt abzuwarten."
Im Auswärtigen Ausschuss des Parlaments wurde die Forderung nach einer UNPA außerdem von Elmar Brok (EPP), Soraya Post (S&D), Juan Fernando López Aguilar (S&D), Helmut Scholz (GUE/NGL), und Andrey Kovatchev (EPP) unterstützt.
Die Entschließung des Europäischen Parlaments wurde von Ivone Soares, eine Abgeordnete aus Mosambik und Mitglied des Panafrikanischen Parlaments der Afrikanischen Union, begrüßt. "Mit den vom Europäischen Parlament, dem Panafrikanischen Parlament und dem Lateinamerikanischen Parlament verabschiedeten Resolutionen ist die Zeit gekommen, dass progressive Regierungen in diesen drei großen Weltregionen die Schaffung einer Parlamentarischen Versammlung der Vereinten Nationen in Betracht ziehen", sagte Soares.
"Die sich zuspitzende Krise der internationalen Zusammenarbeit zeigt, dass bei der Bekämpfung globaler Probleme neue Wege beschritten werden müssen. Es daher sehr positiv, dass das Europäische Parlament die europäischen Staaten auffordert sich für die Schaffung eines UN-Parlaments auszusprechen. Wichtig ist, dass es dabei nicht bei blossen Lippenbekenntnissen bleibt, sondern zu konkreten Umsetzungmassnahmen kommt", kommentierte der Schweizer Ständerat Daniel Jositsch.
"Von den vielen Initiativen für eine friedlichere, gerechtere und demokratischere Welt ist Kampagne für die Schaffung einer Parlamentarischen Versammlung der Vereinten Nationen die entscheidende. Die jüngste Unterstützung des Europäischen Parlaments für diesen Vorschlag zeigt, dass die Mitglieder des wichtigsten supranationalen parlamentarischen Gremiums bereit sind, dafür zu arbeiten", kommentierte Fernando Iglesias, Mitglied der Abgeordnetenkammer Argentiniens.
Jo Leinen, Ivone Soares, Daniel Jositsch und Fernando Iglesias sind Ko-Vorsitzende des parlamentarischen Beirats der internationalen Kampagne für eine UNPA, die von mehr als 1.500 Abgeordneten weltweit unterstützt wurde. Der Generalsekretär der Kampagne, Andreas Bummel, sagte, dass die Forderung des Europäischen Parlaments nach einer UNPA "ein mutiger und wichtiger Schritt" in einer Zeit sei, in der der Multilateralismus "unter Beschuss" stehe. "Regierungen, die daran interessiert sind, die UNO und die Demokratie weltweit zu verteidigen und zu stärken, sollten sich dringend für die Demokratisierung der globalen Institutionen einsetzen und eine Parlamentarische Versammlung der UNO ist ein Schlüssel dazu", fügte er hinzu. Kürzlich erklärte der irische Außenminister Simon Coveney, dass Irland gegenüber Vorschlägen für ein UNPA "aufgeschlossen" sei.
Die Resolution des Europäischen Parlaments über die UN-Politik der EU empfahl unter anderem auch, "die Einleitung eines offenen und inklusiven zwischenstaatlichen Vorbereitungsprozesses unter der Schirmherrschaft der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ein VN-Gipfeltreffen 2020 anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Vereinten Nationen zu unterstützen, in dessen Rahmen umfassende Reformmaßnahmen für eine Erneuerung und Stärkung der Vereinten Nationen erörtert werden."
Im vergangenen Jahr haben Jo Leinen und Andreas Bummel ein Buch über die Geschichte, die heutige Relevanz und die Umsetzung des Vorschlags eines Weltparlaments und über die Verbesserung einer demokratischen Weltordnungspolitik veröffentlicht. Eine englische Ausgabe ist vor kurzem erschienen.
Oberes Bild: Während der Plenarabstimmung am 18. April 2018, Genevieve Engel/Europäisches Parlament
Mehr lesen
Die vom Europaparlament verabschiedete Resolution im Volltext