Inter-Parlamentarische Union: Spitzentreffen begräbt ambitionierte Reformpläne
Die dritte Weltkonferenz der Parlamentssprecher ist am 21. Juli mit der Verabschiedung einer Deklaration über die Notwendigkeit "globaler demokratischer Rechenschaftspflicht" in Genf zu Ende gegangen. Über 130 Spitzenvertreter der nationalen Parlamente stimmten schließlich einem Text zu, der von der Neuen Zürcher Zeitung als "nüchtern" und "gestutzt" bewertet wurde.
Die Deklaration stellt fest, dass "die heutigen multilateralen Systeme es viel stärker erlauben sollten, die Ansichten, Gefühle und Wünsche der Menschen in aller Welt zu berücksichtigen" und fordert "größere parlamentarische Mitwirkung in der internationalen Kooperation". Die in Genf versammelten Parlamentspräsidenten waren sich über den Weg dorthin allerdings uneinig. Mit Blick auf die Inter-Parlamentarische Union (IPU), Organisatorin der Konferenz und Dachverband der nationalen Parlamente, wurde zwar einhellig bestätigt, dass diese „das am besten geeignete internationale Gremium ist, um die Beziehung zwischen den Parlamenten und den Vereinten Nationen“ zu gestalten. Nach Presseberichten nahmen vorrangig die Parlamentspräsidenten aus dem Westen aber Anstoß an Bemühungen ihrer Kollegen, die als "Ambitionen zu einem Weltparlament" beschrieben wurden.
Abdurahim Abdi vertrat einen weitreichenden Reformansatz |
Bild: IPU |
Der Sprecher der Ostafrikanischen Legislativversammlung Abdurahim Abdi beispielsweise hatte den Vorschlag gemacht, dass die Parlamente formal in die Entscheidungsmechanismen der Vereinten Nationen einbezogen werden sollten. "Es könnte etwa zu einem Erfordernis gemacht werden, dass jede Entscheidung der UN-Generalversammlung oder des UN-Sicherheitsrates einer Form von parlamentarischer Mitwirkung unterworfen werden muss, damit sie verabschiedet werden können. Wir könnten durch eine Stärkung existierender parlamentarischer Foren wie der Inter-Parlamentarischen Union erreichen, dass wir gemeinsam mit der UN-Generalversammlung und dem UN-Sicherheitsrat über die Gestaltung von weltpolitischen Fragen entscheiden", so Abdi.
Textänderung mildert Deklaration ab
Die Emirates News Agency berichtete, das eine Allianz aus europäischen und arabischen Parlamentspräsidenten sich in Genf erfolgreich für die Entfernung einer Textpassage aus dem Entwurf der Abschlussdeklaration eingesetzt hatte. Nach dem Passus hätte die Konferenz bestätigt, dass "alle Optionen" für eine Stärkung der IPU untersucht werden sollen, "einschließlich einer Reform ihrer gegenwärtigen Statuten und Regularien, dem Abschluss eines zwischenstaatlichen Vertrags über die IPU und der Eintritt in ein neues und signifikant verbessertes Kooperationsabkommen mit den Vereinten Nationen". Statt dessen wurde in der geänderten Fassung lediglich begrüßt, dass innerhalb der IPU eine Diskussion über deren Stärkung und "die Weiterentwicklung ihrer Kooperation mit den Vereinten Nationen" begonnen worden sei.
Der Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert, erklärte in einer Rede, dass die IPU "weder ein Weltparlament noch eine Unterorganisation der VN" sei und dies auch nicht werden solle. Nach Angaben von Lammert wurde der Änderungsvorschlag zur Abschwächung der Abschlusserklärung von allen Parlamentspräsidenten aus den EU-Mitgliedsstaaten unterstützt.
GulfNews berichtete, dass der Sprecher des Föderalen Nationalrats der Vereinigten Arabischen Emirate, Abdul Aziz Al Ghurair, eine entscheidende Rolle dabei gespielt habe, um Unterstützung für den Änderungsvorschlag zu organisieren. Seine Sorge sei gewesen, dass die IPU auf Grundlage des ursprünglich vorgeschlagenen Textes "in eine Regierungsorganisation im Rahmen der UN umgewandelt werden kann, der es an Unabhängigkeit, demokratischer Verantwortlichkeit und Transparenz mangelt".
Neuer „parlamentarischer Arm” für die UNO vorgeschlagen
Abdul Aziz Al Ghurair forderte einen „parlamentarischen Arm“ für die UNO |
Bild: IPU |
Zugleich allerdings forderte Al Ghurair in Genf die Etablierung eines, wie er sagte, "unabhängigen internationaen Gremiums, das die Weltbevölkerung vertritt und als parlamentarischer Arm der Vereinten Nationen fungiert und jedes Land, ob groß oder klein, demokratisch zur Rechenschaft ziehen kann, wenn es seinen internationalen Verpflichtungen nach den Prinzipien des Völkerrechts nicht nachkommt". Nach der Emirates News Agency sagte Al Ghurair, dass er der Ansicht sei, dass "die neue internationale Organisation alle Menschen der Welt repräsentieren und als Stimme für die Prinzipien internationaler Gerechtigkeit agieren" solle. Die UN solle intensiv über die Etablierung eines solchen parlamentarischen Arms nachdenken. Nach dem Bericht habe Al Ghurair betont, dass die neue Institution die IPU nicht ersetzen solle.
Das Sekretariat der Kampagne für ein UN-Parlament bestätigte, dass "ein globales parlamentarisches Organ benötigt wird, das letzten Endes an der Entscheidungsfindung der UNO und anderer internationaler Institutionen beteiligt und dazu fähig ist, diese Institutionen und ihre Beamte parlamentarisch zu kontrollieren. Ein solches Gremium würde die Funktionen der IPU weder duplizieren noch ersetzen".
Deklaration der 3. Weltkonferenz der Parlamentssprecher
Oberes Bild: Plenarsitzung der Konferenz, Inter-Parliamentarische Union